„Besuchsfall“ Ruth Zutt / BRD

Frau Ruth Zutt (*1928 / +1987), Bundestagsabgeordnete der SPD, wurde während Ihres Besuches in Crock rund um die Uhr beobachtet. Mit einem selbstgemalten Lageplan vom Pfarrhaus in Crock sollten die Möglichkeiten abgeklopft werden, wer von den Nachbarn den „besten Einblick“ in unser Pfarrhaus hat. Die Pionierleiterin Brunhilde Schilling von neben an habe die „beste Einsicht“, wie auf dem Lageplan festgestellt wird. Sie ist zuverlässig und eben nicht religiös gebunden! Außerdem wurden mehrere auswärtige IM`s (Informelle Mitarbeiter) mit in die Beobachtung einbezogen. Sie alle erhielten Kopien von den Paßbildern des Ortspfarrers, seiner Frau und Frau Zutt in die Hand – wegen der Erkennung. Darüberhinaus waren auch noch andere Beobachtungen zu Frau Zutt für die Stasi seit 1977 interessant.

Ausschnitt aus der offizielle Visitenkarte von Ruth Zutt.

Ausschnitt aus der offizielle Visitenkarte von Ruth Zutt.

1977

Frau Zutt war an einem Nachmittag in Misserode zu Besuch.

Frau Zutt war an einem Nachmittag in Misserode / Eichsfeld zu Besuch.

„IMS „Franz Dietrich“
H`stadt, 01.09.1977
erhalten: Hptm. Heß

Abschrift

Wochenendgrundstück Ziegner

Im Monat Juli August war es sehr ruhig im Grundstück Ziegner. Der Sohn Johannes war im August etwa drei Wochen mit Frau und Tochter in Misserode. In dieser Zeit lebten die jungen Leute ganz zurückgezogen. Keine Feiern zu Hause oder in der Gaststätte. Frau Ziegner war einige Male, nie länger als 1 Stunde, anwesend. In der erwähnten Zeit wurde einmal ein Westwagen gesehen, der sich eine gute Stunde in Misserode aufhielt bei Ziegner.

Pol. Kennzeichen
MA-PZ 963 Mannheim
am 27.08.1977 gegen 15.00 Uhr.

F.d.R.d.A.
Jackisch

gez. „Franz Dietrich“

IMS – Informeller Mitarbeiter in Schlüsselposition
Hptm. – Hauptmann
F.d.R.d.A. – Für die Richtigkeit der Angaben

1983

1. Information Staatssicherheit

1. Information Staatssicherheit

„Am 4.7.1983 erfolgte in der Meldestelle des VPKA Hildburghausen eine Antragstellung auf Einreise in die DDR für das Mitglied des Bundestages/SPD

Zutt, Ruth (55)
geb. Hebel
11.7.1928 in Speyer
Bundestagsabgeordnete
6900 Heidelberg, (Straße) 5 A

für den Zeitraum vom 12.8. – 24.8.1983 in den Kreis Hildburghausen über die Grenzübergangsstelle Eisfeld mit Kfz. amtliches Kennzeichen HD – HN 43.“

(handschriftliche Notiz: mit…KP Hibu am 2.8.83 abgesprochen. Unterschrift) 

VPKA – Volkspolizeikreisamt
KP – Kontrollpunkt
Hibu -Hildburghausen
Bezirksverwaltung Staatssicherheit Suhl

Bezirksverwaltung Staatssicherheit Suhl

„Information

Anliegend übersende ich Ihnen eine Information über die beabsichtigte Einreise einer Persönlichkeit der BRD zu einem mehrtägigen Aufenthalt in den Kreis Hildburghausen.

Ich bitte Sie, entsprechend der 2. DB zur DA 3/75 des Genossen Minister die erforderlichen Maßnahmen zur Kontrolle und Überwachung einzuleiten.

In Vorbereitung des zu erarbeitenden Maßnahmeplanes wird sich der verantwortliche Mitarbeiter meiner Diensteinheit Genosse Hauptmann Bickel, am 5.808.1983 mit Ihnen in Verbindung setzen.

Über die Ergebnisse der durchgeführten Maßnahmen bitte ich bis 2 Tage nach erfolgter Ausreise der Z. um eine schriftliche Information. Die Abteilung XX der BV Suhl wird von uns über die beabsichtigte Einreise in Kenntnis gesetzt.

Leiter der Abteilung
I.V. Schmidt
Knispel
Oberstleutnant“

streng vertraulich!

streng vertraulich!

„Streng vertraulich!

SED – Kreisleitung
1. Sekretär – Gen. Lindenlaub
Hildburghausen

Zu Deiner persönlichen Kenntnis möchte ich mitteilen, daß der evangelische Pfarrer

Z i e g n e r, Johannes
wh. Crock

Antrag zur Einreise der BRD Person

Z u t t, Ruth

gestellt hat. Antragszeitraum ist der 12. 08 bis 24. 08 1983.
Bei der Z. handelt es sich um eine Bundestagsabgeordnete der SPD.
Über das Verhältnis zu dem Ziegner liegen bisher keine Informationen vor. (Nach Angaben des Ziegner auf dem Antragsformular besteht kein Verwandtschaftsverhältnis.)

Die Einreise erfolgt mittels Pkw, Kennzeichen HD – HN 43, über die GÜST Eisfeld.

Durch unsere KD werden die erforderlichen Überwachungsmaßnahmen eingeleitet.

Leiter der KD
(Unterschrift)
Dömming“

Berichterstattung nach 3 Tagen

Berichterstattung nach 3 Tagen

„Maßnahmen
_________
– Verantwortlich für die Sicherungs-, Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen: BV            Suhl, KD Hildburghausen, in Zusammenarbeit mit der Abteilung VI.
– Bei der Ein- und Ausreise ist eine schnelle und zügige Abfertigung zu gewährleisten.
– Der Abschlußbericht ist der Hauptabteilung VI, Abteilung Objektsicherung und                  Tourismus, 3 Tage nach Ausreise zuzusenden.

Reisetätigkeit seit dem 1.1.1982
_____________________
Seit dem 1.1.1982 erfolgte 1 Einreise am 9.3.1982 zur ständigen Vertretung der BRD in der DDR.“

...und Pfarrer Ziegner auch...

…und Pfarrer Ziegner auch…

„Der Pfarrer Ziegner bildet neben seinen feindlich-negativen Auftreten in individuellen Gesprächen auch einen personellen Schwerpunkt der gegnerischen Kontakttätigkeit. So erfolgten seit 1982 insgesamt 9 Einreisen durch 18 verschiedenen BRD-Bürger, die teilweise mehrfach einreisten.

Operativ bedeutsam sind die Kontakte zur SPD-Bundestagsabgeordneten

Zutt, ge. Hebel, Ruth
geb. am …
erfaßt für die HA VI
weitläufige Verwandte des Ziegner
Einreise vom 12.08. bis 24.08.84 mit PKW HD-HN 43″

Die Stasi konnte das Verwandtschaftsverhältnis zu Frau Zutt niemals klären. Es gab ganz einfach kein Verwandtschaftsverhältnis! Frau Zutt war eine Bekannte meine Eltern aus den 60ziger Jahren über einen Bekannten aus Speyer. Frau Zutt hatte ein starkes Interesse an dieser Bekanntschaft und kam deshalb nach Ostberlin oder z.B. auch nach Misserode und Crock. Auch während meiner Dienstzeit bei der Nationalen Volksarmee in Gotha hatte sie mich 1973 -unerkannt- in der Kaserne Gotha besucht.

Versuch Hetzmaterial zu senden

Versuch Hetzmaterial zu senden

Auszug Stasi-Akte meiner Mutter Johanna Ziegner

-aus Verbindungen aus der nicht voll zu beantwortenden Position und Tätigkeit der Ziegner im Rahmen der evangelischen Kirche, verbunden mit den Versuchen, Hetzmaterialien der evangelischen Kirche an die Z. zu senden;

– aus Verbindungen hinsichtlich Politik – operativ relevanter Fakten zu einem existierenden politischen Untergrund im Zusammenhang mit dem Arbeitsergebnis der BV Suhl, Abt. XX/ 7;

-Treffvereinbarungen in der Hauptstadt der DDR und mit Transitabweichern, insbesondere den Personen

Zutt, Ruth
……….
und vollzogenen Kontakten mit Einreisen vom 24.11.72 bis 28.11.72 – über GÜST Gerstungen zur Person Z., einer fort gesetzten Verbindung und Treffvereinbarung für den 01.06.76 in der Hauptstadt der DDR. Die Z. hielt sich in dieser Zeit von 13.10 Uhr bis – 15.10 Uhr über GÜST Heinstr. mit Kraftfahrzeug B – AT 32 87 in der Hauptstadt der DDR auf.

Bei der Zutt handelt es sich um eine im BRD-Staatsapparat tätige Person und Mitglied der SPD; …

GÜST – Grenzübergangsstelle
Vernehmung meiner Mutter

Verhör meiner Mutter

„Zur Frau
Zutt, Ruth

Heidelberg, Philosophenweg 05,

gab Frau Z. Zusammenkünfte in der Hauptstadt der DDR an zu einem Zeitpunkt, wo die Einreisen in die DDR in dem Maße, wie sie heute möglich sind, noch nicht erfolgen konnten.

Frau Z. versuchte deutlich zu machen, daß es sich bei ihren Bekannten bzw. auch Verwandten in der BRD um DDR – freundliche Personen handelt.
Ausweichend verhielt sich die Frau Z. zu der Frage, daß es sich doch u.a. um im kirchlichen Dienst stehende Personen und auch im Staatsdienst der BRD stehende Personen handelt, wovon sie im wesentlichen nicht unterrichtet sein wollte.
Gespräche bei Besuchen in der DDR unmittelbar bei ihr in der Familie würden sich nicht um politische Dinge drehen, vordergründig seien Gespräche über die Kinder und eigenen Familien.

Diese Auffassung wurde Frau Z. widerlegt anhand der Feststellung, daß die Existenz -zweier unterschiedlicher ideologischer Welten und Gesellschaften nicht übersehbar ist und die Feststellung zu ihrem Sohn unmittelbar Ausdruck und Auswirkungen jener Ideologie seien, welche bei den Besuchen aus der BRD durch die namentlich bekannten Personen vorherrschen.“

(Teil-Aufzeichnung nach einem Verhör mit meiner Mutter durch die Stasi)
Postkarte von Ruth Zutt

Postkarte von Ruth Zutt

„-Die Bundestagsabgeordnete der SPD

Z u t t, Ruth

siehe Punkt 1 des Einleitungsberichtes – schickte am 27.1.85 eine Karte an Z i e g n e r. Daraus konnte lediglich entnommen werden, daß die Verbindung zwischen Z i e g n e r und der Z u t t auf die Mutter des Z. zurückzuführen sind. Das erhärtet die Version, daß es sich bei der Z u t t um eine entfernte Verwandte handelt.“

„Bei der Ein- und Ausreise zügige Abfertigung gewährleisten!“

Das erste Kirchenfest in der Kirchenfiliale Hirschendorf am 05.08.1983. Unsere gute Bekannte, die Bundestagsabgeordnete Ruth Zutt (SPD), hatte sich angesagt und war natürlich zum Kirchenfest nach Hirschendorf mit eingeladen. Sie brachte auf meinen Wunsch hin – versteckt – dringend notwendige Tabletten für die Krebsbehandlung meines örtlichen Organisten mit.

Gemeindefest der Kirchgemeinde Hirschendorf 1983. Frau Zutt schaut nicht in die Kamera.

Gemeindefest der Kirchgemeinde Hirschendorf 1983. Frau Zutt schaut nicht in die Kamera.

Dass zum Kirchenfest in Hirschendorf  Frau Zutt, Bundestagsabgeordnete, anwesend war, ist keinem aufgefallen. Da haben die IM`s nicht gespurt.

Um Ihre Ein- und Ausreise hatte sich sogar Stasichef Mielke gekümmert und Anweisungen gegeben. Das haben wir alles erst nach 1990 aus unseren Stasiakten erfahren.

Für die vielen Stasi-Mitarbeiter in diesem speziellen Einsatz wurden schwarz-weiße Passbilder von meiner Frau, Frau Zutt und mir verteilt. Ebenso gab es eine Zeichnung von der Lage unseres Hauses und den nächsten Nachbarhäusern mit Notizen, wer die beste Möglichkeit von den Nachbarn hat, um in das Pfarrhaus Einblick zu nehmen.

Natürlich war Ruth Zutt auch zum Essen und Gesprächen im Crocker Pfarrhaus.

Lageplan Crocker Pfarrhaus zwecks Beobachtung

Lageplan vom Pfarrhaus und den Nachbarn.

Lageplan vom Pfarrhaus und den Nachbarn.

Lageplan vom Pfarrhaus und den Nachbarn.

Lageplan vom Pfarrhaus und den Nachbarn.

Handschriftliche Anmerkungen zu: Wer kann von außen in`s Pfarrhaus „gucken“.

zuverlässig: Brunhilde Schilling
guter Überblick
jetzt vorwiegend zu Hause

Bauer, Karl-Heinz
war mehrere Jahre VP-Angehöriger

Wank, Franz, war 10 J. Bereitschaftspolizei
Beobachtung von Schule aus ist möglich – mit Einsicht

-nur zuverlässige F. Helfer werden zur Beobachtung eingesetzt
Gliesing, Volkhardt
Parteisekretär von Crock
Böhm, Kurt,
CDU-doch nicht religiös gebunden, sehr progressiv
StFB Schleusingen
Ehefrau KONSUM -Vst-Leiterin

-im Pfarrhaus wohnt nur Fam. Ziegner (5 Personen)

Auszug Stasiakte

Auszug Stasiakte

„Ein weiterer Sohn von ihr, Z i e g n e r, Johannes, ist in der Ortschaft Crock als Pfarrer tätig. Von ihm gibt es im Rahmen von Partnerschaftbeziehungen zur BRD – Kirche Aktivitäten.

Im August 1986 erhielt Frau Bartenstein, Johanna Kartengrüße von der

Z u t t, Ruth
Bundestagsabgeordnete der SPD
(M – Hinweis)

Bartenstein, Johanna wird als Verbindungspartnerin der BRD-Bürgerin Z u t t, Ruth in der ZPDB „V“-erfaßt.

(Unterschrift)
Fussy
Major.“

Paßbilder Zutt / Ziegner

Paßbilder Zutt / Ziegner

Das sind die Paßbilder, die die IM`s von außerhalb bekamen, um uns auch zu erkennen.

Falsche Annahme durch die Stasi.

Falsche Annahme durch die Stasi.

„Zum Kontakt zwischen Ziegner und dem  MdB / SPD  Z u t t konnte aufgrund einer am 27.1.85 durch die Abt. M festgestellte Postkarte der Hinweis entnommen werden, daß diese Verbindung auf die Mutter des Ziegner bzw. mit dieser im Zusammenhang steht. So könnte es sich bei der Zutt um eine entfernte Verwandte des Ziegner handeln.
Leiter der Abteilung
Knespel
Oberstleutnant.“

MdB – Mitglied des Bundestages
Abt. M – Leitung und Zuständigkeit der Postkontrolle
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